Der Vorstand des TV Borken im Jubiläumsjahr
v.l. Michael Heistermann (Geschäftsführer) Wilfried Kersting (1.Vorsitzender) Waltraud Lintfert-Beckmann (Sportwartin) Claudia Böger (stellv. Geschäftsführerin) Heiner Brill (Kassenwart) Guido Kutsch (2. Vorsitzender)

100 Jahre TV Borken

22 Sportler gründeten den Verein, der nun über 1500 Mitgliedern ein sportliches Zuhause bietet

Der „TVB“ feiert runden Geburtstag. Am 29. März vor 100 Jahren hatte der Klub seine Geburtsstunde.

Damals, 1922, ein Jahr, in dem die erste Expedition auf den Mount Everest unternommen wurde, als das Charleston-Kleid ein Muss für jede Dame war, als das unversehrte Grab des Tutanchamun in Ägypten entdeckt wurde, erfand sich in Borken ein Klub, der sich jedoch jedes Jahr aufs Neue erfinden möchte. „Die vielen glücklichen und zufriedenen Gesichter im Verein treiben uns an, nicht zu lange in die erfolgreiche Vergangenheit zu schauen, sondern mit viel Zuversicht an der Zukunft zu arbeiten“, sagt Wilfried Kersting, der amtierende 13. Chef jenes Vereins, an dessen Spitze in den jüngsten 72 Jahren übrigens nur fünf Vorsitzende standen. Rekordhalter ist Walter Söhngen, der in seinen drei Amtszeiten auf fast 24 Jahre kam.

Hermann Ridder erster Vorsitzender

 

Heute blickt der TV Borken, der über 1500 Mitgliedern ein sportliches Zuhause bietet, auf eine bewegende Geschichte zurück, die an jenem 29. März im kleinen Rahmen begann. Denn nur 22 Sportler hoben an jenem Mittwoch den „Turn- und Spielverein Borken DT“ aus der Taufe. Der sollte konfessionell unabhängig sein und sich der Deutschen Turnerschaft (DT) anschließen – so die Absicht der Gründer, die Hermann Ridder zu ihrem ersten Vorsitzenden wählten.

Im Angebot der ersten Jahre: Geräteturnen, Leichtathletik, Faustball, Wandern, Handball und – zum damaligen Zeitpunkt noch außergewöhnlich – Frauenturnen. 1926 zählte der Verein bereits knapp 100 Mitglieder. Themen in den Versammlungen waren damals schon fehlende geeignete „Säle“, also Turnhallen, und notwendige öffentliche Finanzförderungen.

 

Schwere Jahre in der NS- und Kriegszeit

 

Das „Zehnjährige“ feierte der Verein unter anderem mit einem Festumzug und einem großen Schau- und Werbeturnen gebührend, aber nichtsahnend, dass eine schwere Zeit bevorstehen sollte: die NS-Zeit, die Kriegsjahre. Am 28. April 1934 wurden sämtliche Sportvereine auch in Borken zwangsweise „freiwillig“ zusammengelegt. Dabei wurde der Turn- und Spielverein mit dem Borkener Fußballverein zum Turn- und Sportverein „umorganisiert“, die Frauensparte im neuen Verein herausgelöst, jüdische Mitglieder wurden ausgeschlossen.

Nach dem Zweiten Weltkrieg stand der Turn- und Sportverein Borken vor einem Neubeginn. Im März 1946 beschloss ein kleiner Kreis ehemaliger Turner die Wiederaufnahme des Turnbetriebs „in der festen Zuversicht, dass der alte Turngeist auch in der arg zerstörten Stadt Borken und trotz der riesengroßen Schwierigkeiten in der Frische wieder aufleben wird“.

„Macht doch Euren eigenen Verein auf!“

 

Vorangegangen waren anhaltende Auseinandersetzungen zwischen dem Vorsitzenden des Turn- und Sportvereins, Dr. Schwenken, und der dazugehörigen Turnabteilung. Dabei offenbarten sich unterschiedliche und offensichtlich unüberbrückbare Auffassungen zwischen der Fußball- und Turnabteilung. Dr. Schwenken äußerte sich verärgert: „Macht doch Euren eigenen Verein auf!“

Daraufhin entschieden sich am 1. August 1946 die Mitglieder der Turnabteilung, sich von den Fußballern zu lösen. Ein Jahr nach der Neugründung des TuS 1945 spaltete sich dann die Turnabteilung endgültig vom Turn- und Sportverein ab und gründete einen eigenen Klub. Sein Name: „Turnverein Borken 1922“. 1948 erfolgte der Eintrag ins Vereinsregister. Zwei Jahre später hatte der TV Borken über 200 Mitglieder. Sie betrieben die Sportarten Turnen, Gymnastik, Leichtathletik, Handball, Faustball, Wandern und Tischtennis.

Spagat zwischen Leistungsförderung und „erschwinglichem Breitensport“

 Den 50. Klub-Geburtstag feierte man in der Aula des Gymnasiums. Der war auch der Startschuss für das „Internationale Jugend-Handballturnier“ auf Kleinfeldern, das heutige Christi-Himmelfahrt-Turnier, mit damals schon 400 Teilnehmenden. Das 75-Jährige Bestehen feierte der TV Borken unter anderem mit einer Turngala am 27. Mai 1997.

Nun wechselt der Verein breit aufgestellt und auf finanziell gesunden Beinen ins nächste Jahrhundert. Handball und Faustball, Turnen und Rhythmische Sportgymnastik, Laufen und Triathlon, Hockey, Schach, Tischtennis, Badminton und Schwimmen – all das ist beim Jubilar anno 2022 möglich. Nicht zu vergessen: die Sportabzeichen-Abnahme. „Unser Verein ist parteipolitisch und religiös neutral, wendet sich gegen Intoleranz sowie Rassismus und fördert Integration und Inklusion“, erklärt Kersting die Offenheit „seines“ TV Borken, der den Spagat zwischen Leistungsförderung und „erschwinglichem Breitensport“ nachhaltig meistern will. Aber vor allem das: bewegen. Was freilich das beste Mittel ist, um keinen Staub anzusetzen.

 

Der Jubilar feiert sieben Monate lang mit seinen Abteilungen – und mit Aufsteigern

 

Ist es eine „Mission Impossible“? Oder Zweckoptimismus? Oder ein Stück weit Realismus? Wilfried Kersting, seit 2017 Vorsitzender des TV Borken, weiß es nicht mehr genau, was ihn und seinen Vereinsvorstand vor gerade mal etwas mehr als einem halben Jahr dazu trieb, mitten in unkalkulierbaren Zeiten das Jubiläumsjahr des TV Borken zu planen. Er wusste nur: „Wir werden 100 Jahre. So eine Zahl kann man doch nicht einfach vorbeiziehen lassen!“

Zahlreiche andere Klubs, die ebenfalls einen runden Geburtstag feiern oder vielmehr feiern wollten, mussten in den vergangenen beiden Jahren ihre Planungen aufgeben. „Ja, es ist ein Risiko. Aber das lohnt es sich, für diesen Klub und seine Mitglieder einzugehen“, sagt Kersting. Also begann er mit seinem Orga-Team, Eckpfeiler zum 100-Jährigen in den Boden zu rammen, Termine festzuzurren. „Natürlich alles vorbehaltlich der Entwicklung der Lage“, sagt er und ließ daher vorsichtshalber auch die Einladungen zum ersten Akt erst vor zwei Wochen verschicken.

Ein „Jubiläums-Dämmerschoppen“ im „Haus Fliederbusch“ für Ehrenmitglieder, Abteilungs- und Übungsleiter sowie verdiente Mitglieder eröffnet die große Klammer des Jubiläumsjahres, die erst am 11. November mit einer großen Feier im Vennehof geschlossen wird.

Dazwischen liegen 224 Tage mit außergewöhnlichen sportlichen Veranstaltungen, über die Kersting sagt: „Es geht Schlag auf Schlag.“ Wie am 30. April und 1. Mai beim „Regio-Cup Mitte“ der Rhythmischen Sportgymnastik. Die Mergelsberg-Halle wird dann einer von nur drei bundesweiten Austragungsorten für die Einzelqualifikation für den Deutschland-Cup des Deutschen Turnerbundes sein.

Die Handball-Abteilung trägt nicht nur als Gastgeber das Final-4-Turnier der Damen und Herren um den Kreispokal am 22. Mai zum Jubiläumsprogramm bei. Auch das 50. Christi-Himmelfahrt-Turnier soll nach zwei Jahren Pause am 26. Mai die Jugend unter freiem Himmel bewegen. Und vielleicht hat diese so erfolgreiche Abteilung ja auch schon am 15. Mai etwas zu feiern: den Aufstieg der Ersten in die Verbandsliga, der freilich nicht im Programmheft des Jubiläumsjahres steht.

Am 4. Juni lädt die Tischtennis-Abteilung alle Vereinsmitglieder zu einem Juxturnier ein, ehe die Turnabteilung des Klubs am 11. Juni ein Familienfest auf die Beine stellt. Die Denksportler bringen sich unterdessen als Organisator der Borkener Jugend-Open, eines Großmeister-Simultan-Turniers, am 7. und 8. Mai und dem Schnellschach-Turnier „Zurück ans Brett“ am 9. Juli ein. Zwischendurch könnten aber auch sie ihren Verein zum runden Geburtstag überraschen – als Meister der Regionalliga.

Und nach den Sommerferien geht’s dann natürlich weiter: mit einem Tischtennisevent am 20. August, einem großen Stockschießen am 3. September, dem Sportabzeichentag am 17. September und mit einem Wandertag Hohe-Mark-Steig am 24. September.

 

Oder andersherum: In wieder normalen Zeiten ein besonderes Jahr. Für den 100-jährigen Turnverein Borken.

 

Textquelle: Borkener Zeitung Nr.73, 29.03.22 von Martin Ilgen